Die Paris-Vorbereitungen nehmen an Fahrt zu.
In Born Again eskaliert der Konflikt zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen endgültig, was wiederum ein großes Opfer nach sich zieht. Gleichzeitig werden wir geschickt auf den anstehenden Raubzug gen Paris vorbereitet, der unter gemischten Vorzeichen steht und neue Spannungen verspricht.
Born Again, die sechste Episode der dritten Staffel der History-Serie Vikings, steht vor allem im Zeichen einer der zentralen Konflikte des Historiendramas, den Serienschöpfer Michael Hirst über mehrere Staffeln gesponnen hat: die Konfrontation zweier von Grund auf verschiedener Religionen und Ideologien. Diese nahm bereits in der ersten Staffel eine hochinteressante Rolle ein, als der fromme Priester Athelstan (George Blagden) in die Hände des rauen Wikingers Ragnars (Travis Fimmel) fiel.
Athelstan fand sich fortan dauernd in einem Glaubenskonflikt wieder. In der zweiten Staffel näherte er sich mehr den nordischen Gottheiten an, wofür er schmerzvoll abgestraft wurde und zu Beginn der dritten Staffel fungierte er dann als eine Art Diplomat zwischen den beiden religiösen Lagern, die mehr Gemeinsamkeiten verbindet, als ein Großteil ihrer Anhänger wohl jemals zugeben würde.
Impregnable
In „Born Again“ fällt Athelstan nun abermals eine bedeutende Entscheidung hinsichtlich seiner Konfession, was in einem dramatischen Vorfall endet, der sich so oder so ähnlich bereits im Vorfeld angekündigt hatte. So plötzlich sich die unvermeidbaren Ereignisse in „Born Again“ nun überschlagen, der allgemeinen Spannung tut dies keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil sogar, die weitere Charakterentwicklung von Hauptfigur Ragnar Lothbrok könnte mit Blick auf die kommenden Episoden verheißungsvoller nicht sein.
Es ist schon fast ein wenig befremdlich, wie tiefenentspannt der Auftakt dieser Folge ist, als wir Ragnar und Athelstan dabei beobachten, wie sie am Strand von Kattegat einen Schlachtplan für den Angriff auf Paris entwerfen. Insbesondere in Ragnars Augen zeichnet sich eine Art kindliche Vorfreude ab. Er kann es kaum erwarten, nach dem Winter nun endlich zu neuen Ufern aufbrechen zu können. Doch wie so oft zuvor trügt auch hier der Schein, der Wikingerkönig könne in aller Ruhe den nächsten Raubzug vorbereiten. Im Hintergrund formiert sich nämlich eine ganze Reihe an Problemen, die Ragnars Plänen einen Strich durch die Rechnung machen könnten.
Ragnar (Travis Fimmel) und Athelstan (George Blagden) in %26bdquo;Born Again%26ldquo; © History
Caught off guard
So bringt einer der Farmer der Wikingersiedlung in Wessex die schreckliche Kunde, dass die Kolonie der Nordmänner kaltblütig von den Engländern in Schutt und Asche gelegt wurde. Für Floki (Gustaf Skarsgard) bedeutet diese Nachricht neuer Wind in seinen Segeln, hat er den Christen doch von der allerersten Minute an misstraut. Ragnar schwört Rache, nimmt die Schuld aber auch auf sich selbst, wobei Floki viel lieber Athelstan an den Pranger stellen würde, spielte dieser doch seiner Meinung nach Teufels Advokat und fädelte die Allianz mit Ecbert und seinen Christen ein.
Für den geplanten Angriff auf Paris stellt diese Botschaft selbstverständlich eine große Gefahr dar, da sie für eine Unruhe unter den Wikingern sorgen könnte, die Ragnar überhaupt nicht gebrauchen kann. So zeigt er sich mal wieder von seiner sehr dunklen Seite, tötet er doch den bemitleidenswerten Farmer, der seine Familie sowie sein Hab und Gut verloren hat. Eine harte Aktion unseres Hauptcharakters, die jedoch nicht wirklich verwundert. Sie passt voll und ganz zu seiner Figurenzeichnung und seinem oftmals extrem egoistischen Wesen. Seinem Volk aus Sicherheitsgründen die Entwicklungen in Wessex vorerst vorzuenthalten, ist dabei nur ein Alibi. Seine wahren Gedanken sind bei dem kommenden Raubzug, welcher Ragnars Handeln derzeit in jedweder Form bestimmt.
Broken men
Unermüdlich treibt der Wikingerkönig die Vorbereitung für diesen voran, Schiffe werden gefertigt und neue Verbündete treffen in Kattegat ein, darunter Kalf (Ben Robson) sowie Horiks Sohn Erlendur (Edvin Endre) und Jarl Borgs Witwe Torvi (Georgia Hirst). Auch in diesen Szenen, die von außen den Eindruck machen, alle würden an einem Strang ziehen, wird eine gewisse Anspannung vermittelt. Inwiefern Ragnar Kalf oder auch Erlendur wirklich trauen kann, darf stark bezweifelt werden. Der Anführer der Nordmänner sollte sich hier vielleicht ein wenig an seiner Exfrau Lagertha (Katheryn Winnick) orientieren, die weitaus misstrauischer ist und die neuesten Entwicklungen mit Vorsicht genießt, während Kalf seine Chancen bei der toughen Kriegerin auslotet, die auf diesen nachvollziehbarerweise nicht wirklich gut zu sprechen ist.
Vielleicht ist es gerade Ragnars Tatendrang und blinde Aufbruchsstimmung, die ihn verpassen lassen, dass er sich in seiner Heimat einigen Problemen widmen sollte, bevor er dieser abermals den Rücken kehrt. Die Anbandelung Ragnars mit dem Christentum stößt bekanntermaßen vor allem Floki übel auf, der sich nun endgültig von seinem einstigen sehr guten Freund distanziert. Nach den Gräueltaten der Christen in Wessex erreicht seine Abneigung Athelstan gegenüber ein neues Hoch, doch bei Ragnar stößt er auf taube Ohren. Bereits früh bahnt sich hier dank einer extrem atmosphärischen Inszenierung ein großes Unheil an, was auch nicht lange auf sich warten lässt.
Chosen by God
Zunächst erlebt Athelstan eine Art göttliche Fügung, die stimmungsvoll in Szene gesetzt ist, aber durchaus für ein paar irritierte Blicke beim Zuschauer sorgen kann. Als wiedergeborener Christ entsagt Athelstan nun wieder den nordischen Göttern und zieht somit in recht kurzer Zeit die finsteren Blicke der Wikinger auf sich. Ragnar handelt hier glücklicherweise geistesgegenwärtig und kann Athelstan ein wenig aus der Schusslinie nehmen. Dass er jedoch den mehr als offensichtlichen Konflikt zwischen Floki und Athelstan auf die lange Bank geschoben und effektiv nichts unternommen hat, um diesem in irgendeiner Form entgegenzuwirken, bekommt ihm wenig später teuer zu stehen.
Gustaf Skarsgard als Floki in %26bdquo;Born Again%26ldquo; © History
Denn auch Floki macht eine außerordentliche Erfahrung: Eine Vision der Götter offenbart ihm, was er zu tun hat und dass die Zeit dafür nun gekommen ist. In einer herrlich gefilmten und musikalisch hervorragend unterlegten Sequenz, in der die Anspannung förmlich greifbar ist, begibt sich Floki zurück nach Kattegat, wo er schließlich mit einem gezielten Hieb Athelstan niedergestreckt. Für beide wirkt es wie eine Form der Erlösung - Athelstan lässt endlich sein irdisches Leid hinter sich und Floki erfüllt zeitgleich den göttlichen Auftrag, der von ihm verlangt wurde.
The things I do for you
So konsequent dieser Charaktertod auch ist, so sehr hatte ich auch mit einer etwas anderen Auflösung der spannungsgeladenen Situation zwischen Floki und Athelstan gerechnet. Vielleicht fehlt mir hier schlichtweg ein wenig die Wucht, die mit einem derartig dramatischen Vorfall und dem Ableben einer Hauptfigur normalerweise einhergeht. Wobei ich den Serienmachern zugestehen muss, dass sie in den folgenden Szenen um den trauerenden Ragnar großes Kino abliefern.
Darsteller Travis Fimmel ist es schlussendlich, der dem Tod Athelstans ungemeines emotionales Gewicht verleiht. Die Bestattung des Priesters übernimmt Ragnar eigenhändig und es dauert nicht lange, bis uns ein tiefer, ehrlicher Einblick in seinen Charakter geboten wird. Er verliert mit dem verstorbenen Athelstan nicht nur einen geschätzten Berater und wertvollen Informanten, sondern auch einen sehr guten Freund, mit dem er Dinge besprechen konnte, die er mit sonst niemand anderem teilte. Eine durchaus ergreifende Szene, in der Fimmel abermals exzellent aufspielt. Der Darsteller verfügt schlichtweg über eine erstaunliche Ausstrahlung und ein Charisma, das einen vergessen lässt, wie ambivalent Ragnar eigentlich ist, dass Genie und Wahnsinn hier eng beieinander liegen und dass er sowohl aufrichtige Emotionen zeigen als auch im nächsten Moment kaltherzig jemanden um die Ecke bringen kann.
Good night, husband
Neben diesem zentralen Handlungsbogen in Born Again, der letzten Endes die spannende Frage aufwirft, was wir von Ragnar (der sich am Ende der Episode eine Glatze rasiert und Athelstans Kruzifix überwirft) erwarten können, werden hier zwei weitere Nebenhandlungen erzählt, die mehr oder minder gut funktionieren.
Ein wenig problematisch mutet die Geschichte um Bjorn (Alexander Ludwig) an, der sich über sein Vaterglück freuen darf, als Porunn (Gaia Weiss) ihre gemeinsame Tochter zur Welt bringt. Aufgrund ihrer Gesichtsverletzung und der daraus resultierten Narbe ist Porunn jedoch nach wie vor am Boden zerstört und gibt Bjorn gar eine Art Freifahrtsschein, mit einer anderen Frau zu schlafen. Enttäuschenderweise lässt sich Bjorn tatsächlich auf dieses Angebot ein (mit Jarl Borgs Witwe Torvi) und bringt somit leider nicht den Beweis, dass er sich von seinem Erzeuger Ragnar unterscheidet - auch wenn er uns seine Liebe zu Porunn versichert. Dennoch erinnert dieser Akt der körperlichen Untreue schon stark an Ragnar, der vor langer Zeit auch etliche Liebesbekundungen an Lagertha aussprach. Was dann passierte, ist hinlänglich bekannt.
Ich persönlich habe den Eindruck, dass Hirst zurzeit nicht wirklich weiß, was er mit der Figur des Bjorn machen soll und so würde ich mir wünschen, dass Bjorn in den nächsten Episoden etwas mehr zu tun bekommt als bisher. Zum jetzigen Zeitpunkt ebbt mein Interesse an diesem Charakter nämlich leider ein wenig ab.
Alexander Ludwig als Bjorn Lothbrok in %26bdquo;Born Again%26ldquo; © History
By the King's Order
Etwas besser gefällt mir da schon der kleine Abstecher nach Wessex, wo Judith (Jennie Jacques) nach der Geburt ihres unehelichen Kindes vor den Augen Gottes gerichtet und für ihre Untreue bestraft werden soll. Hier zeigt man uns erneut, dass die den Wikingern gegenüber so herablassenden Christen nicht minder barbarisch und unmenschlich als die wilden „Heiden“ aus Skandinavien sind. Judith sollen für ihren Verrat an Gatte Aethelwulf (Moe Dunford) ihre Nase und beide Ohren abgeschnitten werden, was laut Heiliger Schrift die gerechte Strafe für ihr Vergehen ist. Ich gebe es ehrlich zu, mir war angst und bange vor dieser Szene, die sogleich Erinnerungen an das Blutadlerexekutionsritual aus der Episode Blood Eagle weckte.
Zum Glück bleibt es nur bei einem Ohr, das Judith verliert, nachdem sie preisgibt, von wem das Kind ist. Ecbert (Linus Roache) gebietet dem furchtbaren Treiben dann Einhalt und überzeugt den gehörnten Ehemann Aethelwulf davon, dass Judiths Empfängnis nach ihrer Affäre mit Gottesdiener Athelstan ein überirdisches Zeichen sein muss. Diese Argumentation fühlt sich ein wenig schwammig an, es ist aber auch gut möglich, dass Ecbert erneut einen größeren Plan im Hintergrund verfolgt. Etwas komisch ist, dass man den potentiellen Konflikt zwischen Athelstan und Aethelwulf mit dem Tod von ersterem komplett ins Leere laufen lässt. Dem Handlungsstrang gelingt es insgesamt aber dennoch gut, uns erneut deutlich vor Augen zu führen, dass sich Wikinger und fromme Christen in ihren Methoden bei Weitem nicht so extrem voneinander unterschieden, wie beide Seiten glauben.
Fazit
Born Again könnte ein entscheidendes Kapitel in der Charakterentwicklung von Ragnar sein, der mit dem Tod Athelstans einen bedeutenden Einfluss sowie eine ihm sehr nahestehende Vertrauensperson verliert. Wie der Wikingerkönig mit diesem Verlust umgehen und welche Konsequenzen Flokis Handeln haben wird, sind nur zwei interessante Fragen für die nächsten Episoden. Es lassen sich zwar erneut einige kleinere Störfaktoren in den verschiedenen Handlungssträngen finden, insgesamt besticht „Born Again“ jedoch mit zahlreichen stimmungsvollen Aufnahmen und überzeugenden Charaktermomenten. Selbst für eine kleine Prise Humor ist zwischendurch gesorgt (Ragnars Sohn, der von seinem Vater unsanft auf den Boden geworfen wird). Vikings bewegt sich so weiterhin auf einem überdurchschnittlichen Niveau und hält die Erwartungen an das Format konstant hoch.
Author: Melissa Henry
Last Updated: 1703542203
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